Arbeitskreis Empirische Bildungsforschung in der Mathematikdidaktik/Herbsttagung 2010 Freiburg

Die diesjährige Herbsttagung des Arbeitskreises fand am 29. und 30.10.2010 am Institut für mathematische Bildung an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg statt. Als einen inhaltlich und methodisch besonderen Schwerpunkt hatte der Arbeitskreis sich für diese Tagung einen besonderen Fokus gewählt: „Erkenntnisgewinn durch Integration quantitativer und qualitativer Methoden in der empirischen mathematikdidaktischen Forschung.“ Ziel der Tagung war es, nicht nur aktuelle Forschungsergebnisse im Umfeld von Vergleichsuntersuchungen und empirischer Bildungsforschung vorzustellen und zu diskutieren, sondern insbesondere Fragen des Forschungsdesigns und damit vertieft Fragen der grundsätzliche Anlage mathematikdidaktischer Forschung zu thematisieren. Als externen Gast und Experten für methodenintegrative Forschungsansätze konnten wir Prof. Dr. Udo Kelle (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) gewinnen. Er ist national wie international bekannt für seine methodenanalytischen und programmatischen Schriften zur Integration von Forschungsmethoden. Udo Kelle hat diese Ansätze im Laufe seiner Studien in der Medizin, Psychologie und Soziologie kennengelernt und in seiner 2008 erschienenen Habilitationsschrift zur „Integration qualitativer und quantitativer Methoden empirischer Sozialforschung“ (Verlag für Sozialwissenschaften), die man allen methodenreflexiven Mathematikdidaktikerinnen und -didaktikern zur Lektüre empfehlen kann, zusammengeführt.

Udo Kelle eröffnete die Tagung mit einem methodenkritischen tour d’horizon, in dem anhand von Projekten aus der Sozial- und Biografieforschung den Nutzen methodenintegrativer Ansätze hervorhob. Für die Diskussion der weiteren Beiträge fungierte Herr Kelle dankenswerterweise als erster kritischer Diskutant.

Timo Leuders, Lars Holzäpfel, Carola Bernack (Pädagogische Hochschule Freiburg) stellten für die methodenbezogene Diskussion einen Zwischenstand aus dem BMBF-Projekt FORMAT (Mit-Projektleiter. A. Renkl, Universität Freiburg) vor: ,Forschungstagebücher als Instrument der Veränderung von Mathematikbildern von Lehramtsstudierenden. Qualitative und quantitative Ansätzen zur Entwicklung von Instrumenten zur Erfassung von Mathematikbildern‘. Der Arbeitskreis debattierte an diesem Beispiel vor allem über den Nutzen einer quantifizierenden Erfassung von Beliefs und die noch nicht ausgeschöpften Möglichkeiten der qualitativen Analyse der im Projekt entstehenden Forschungshefte. Insbesondere wurden die Möglichkeiten und Grenzen eines experimentellen Designs zur Sprache gebracht.

Dominik Matt (Pädagogische Hochschule Freiburg) berichtete über eine Teilstudie des DFG- Projektes HEUREKO zur Erfassung von Kompetenzen des Repräsentationswechsels bei Funktionen (T. Leuders, M. Wirtz, R. Bruder): ,Qualitative Itemanalyse zur Optimierung der Validität eines mehrdimensionalen Kompetenzmodells‘. Hieran wurde der Nutzen qualitativer ,kognitiver‘ Analysen zur Validierung und Optimierung eines psychometrischen Kompetenzmodells diskutiert. Allgemein wurde auch die Notwendigkeit solider qualitativ gestützter Theorien über kognitive Prozesse als Grundlage für eine Kompetenzmessung hervorgehoben.

Andreas Schulz (Pädagogische Hochschule Freiburg) präsentierte aus dem Umfeld seiner abgeschlossenen Dissertation (,Ergebnisorientierung als Chance für den Mathematikunterricht – Innovationsprozesse qualitativ und quantitativ erfassen.‘) die methodologischen Ergebnisse aus seiner Arbeit. Diese beziehen sich nicht nur auf den Nutzen methodenintegrativer Designs in sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekten, sondern auch auf eine erkenntnistheoretische Reflexion der Beschreibung qualitativer und quantitativer Ansätze. Hierbei entwickelte und diskutierte der Vortragende ein integratives methodologisches Rahmenkonzept. Im Anschluss an den Vortrag wurden insbesondere die Chancen und Herausforderungen bei der Grundlegung und Optimierung eines Forschungsdesigns im Forschungsprozess diskutiert und die Bedeutung des flexiblen Heranziehens von qualitativen und quantitativen Methoden zur gegenseitigen Stützung und Förderung des Erkenntnisprozesses diskutiert.

Christine Pauli (Universität Zürich) berichtete über Teilstudien im Rahmen eines großen Projektes der Erfassung von Unterrichtsqualität mittels Erfassung über Video. In diesem Projekt gebot sich der methodenintegrative Ansatz, da das Konstrukt der Unterrichtsqualität, insbesondere unter Berücksichtigung der didaktischen Kommunikation die solide Konstruktion und Prüfung von Instrumenten zur niedrig- und hochinferenten Erfassung von Unterrichtsqualität vonnöten machten. Im Anschluss an den Vortrag wurden viele Einzelfragen zur Anlage eines solchen Designs erörtert.

Angelika Bikner-Ahsbahs (Universität Bremen) rundete die Tagung ab, indem sie aus ihrer laufenden Arbeit an der Frage der Vernetzung von Theorien (zusammen mit Tommy Dreyfus und Ivy Kidron, Israel) berichtete und dies mit Beispielen aus verschiedenen Forschungsprojekten belegte. Eine ausführlichere Präsentation wird Angelika Bikner-Ahsbahs in ihrem Hauptvortrag im Rahmen der GDM-Jahrestagung 2011 in Freiburg geben. Die Diskussion über Konsequenzen des Konzeptes der Theorievernetzung für qualitative und quantitative Forschung schloss Udo Kelle mit dem Statement ab, dass die Vernetzung vor allem dann gelinge, wenn die Forscher(innen) sich nicht nur auf theoretischer Ebene vernetzen, sondern gemeinsam an demselben Gegenstand forschen.