Moderatorinnen und Moderatoren zum Thema Datenanalyse im Unterricht der Sekundarstufe I qualifizieren. Theoriegeleitete Konzeption, Implementation und Evaluation einer Moderatorenqualifizierung zur Datenanalyse in der Sekundarstufe I


Thomas Wassong (2016): Moderatorinnen und Moderatoren zum Thema Datenanalyse im Unterricht der Sekundarstufe I qualifizieren. Theoriegeleitete Konzeption, Implementation und Evaluation einer Moderatorenqualifizierung zur Datenanalyse in der Sekundarstufe I. Dissertation, Universität Paderborn.
Betreut durch Rolf Biehler.
Begutachtet durch Rolf Biehler und Bettina Rösken-Winter.
Tag der mündlichen Prüfung: 02.12.2016.


Zusammenfassung

Um Innovationen des Mathematikunterrichts in die Breite zu tragen, bedarf es Lehrerfortbildungen, die den Lehrpersonen helfen, diese Neuerungen in ihrem Unterricht umzusetzen. Die Dozentinnen und Dozenten von Lehrerfortbildungen wiederum benötigen eine umfassende, wissenschaftlich fundierte Qualifikation, um Lehrerfortbildungen erfolgreich gestalten und umsetzen zu können. Die Ausbildung bzw. Qualifizierung dieser Dozentinnen und Dozenten, sogenannter Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, für das Fach Mathematik ist eines der Schwerpunktthemen des Deutschen Zentrums für Lehrerbildung Mathematik (DZLM). Im Rahmen des DZLM wurde 2012 ein Pilotprojekt zur Qualifizierung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Bundesland Nordrhein-Westfalen initiiert. In diesem Bundesland wurde mit den sogenannten Kompetenzteams eine Struktur geschaffen, die auf Landkreisebene für die Planung und Durchführung von Lehrerfortbildungen zuständig ist. Mitglieder der Kompetenzteams sind Lehrpersonen, die mit einem Teil ihrer Stunden für die Arbeit in den Kompetenzteams abgeordnet sind. Aufgabe in diesem Pilotprojekt war es, eine Moderatorenqualifizierung für Moderatorinnen und Moderatoren in der Sekundarstufe I zu entwickeln, durchzuführen und zu evaluieren. Die Qualifizierung wurde in zwei Module aufgeteilt. Das erste Modul befasste sich mit dem kompetenzorientierten Mathematikunterricht aus inhaltsbezogener Perspektive am Beispiel der Stochastik, insbesondere der Datenanalyse. Das zweite Modul beschäftigte sich mit dem kompetenzorientierten Mathematikunterricht aus prozessbezogener Perspektive. Das erste Modul bildet den Gegenstand der vorliegenden Studie, wobei das Forschungsinteresse in der Erarbeitung von Eigenschaften einer Moderatorenqualifizierung lag, um die Moderatorinnen und Moderatoren zur Entwicklung und Durchführung von Fortbildungen zur Datenanalyse in der Sek. I zu befähigen.

Die Studie ist im Sinne des Design-based Research-Forschungsparadigmas (Plomp 2010) angelegt. Im ersten Schritt werden die theoretischen Grundlagen zu den Inhalten und Zielen der Qualifizierung erläutert. Hierzu gehört die Entwicklung eines Professionswissensstrukturmodells für Lehrpersonen zur Definition der Zielkompetenzen für die Lehrpersonen in den Fortbildungen. Dabei werden vier Wissensfacetten entwickelt: Allgemeines und schulorientiertes Fachwissen in Mathematik, Curriculares Wissen in fachlicher und fachdidaktischer Hinsicht, Lern- und lehrorientiertes fachdidaktisches Wissen und Medienorientiertes fachwissenschaftliches und fachdidaktisches Wissen. Des Weiteren werden Forschungsergebnisse und Theorien über Lernprozesse bei Moderatorinnen und Moderatoren zur Aufbereitung der Inhalte und zur Strukturierung von Moderatorenqualifizierungen aufgearbeitet. Der dritte Teil der theoretischen Grundlagen befasst sich mit dem Inhalt. Zunächst wird eine Vision von Datenanalyse in der Sekundarstufe I erarbeitet, die neben den fünf fundamentalen Ideen Daten, Variation, Verteilung, Repräsentation und Assoziation zwischen Merkmalen und Modellierung der Beziehung zwischen Größen auch die Idee eines daten- und projektorientierten Unterrichts umfasst.

Im zweiten Schritt werden die Ziele, die Konzeption und die Implementation der Moderatorenqualifizierung entwickelt. Auf Basis der Vision zur Datenanalyse in der Sekundarstufe I wird eine Themenstruktur entwickelt, die in Bezug auf die vier Wissensfacetten ausdifferenziert und analysiert wird. Die Themenstruktur umfasst die sechs Themen Einstieg in die Datenanalyse mit digitalen Werkzeugen, Daten: Woher und Wofür?, Daten repräsentieren, zusammenfassen und interpretieren, Trends und Zusammenhänge in Daten, Kritischer Umgang mit Statistiken und Daten in Medien und Statistische Projekte und Präsentationen mit digitalen Werkzeugen. Ebenso werden die zentralen Aspekte herausgearbeitet, die bei der Fortbildung von Lehrpersonen zum Thema Datenanalyse im Unterricht der Sekundarstufe I beachtet werden müssen. Darüber hinaus werden die Designprinzipien auf Basis der theoretischen Vorüberlegungen und Annahmen entwickelt und in Bezug auf die Qualifizierung ausgestaltet. Die entwickelten Designprinzipien lauten Eine Vision von Datenanalyse im Mathematikunterricht vermitteln, Digitale Werkzeuge im Lernprozess einsetzen, Struktur und Begründungszusammenhänge der Datenanalyse erarbeiten, Teilnehmende in jeder ihrer drei Rollen ansprechen, Fortbildungsdidaktische Kompetenzen stärken und Umsetzung in die Fortbildungspraxis begleiten. Es werden zudem die impliziten Annahmen herausgearbeitet, die den Designprinzipien zugrunde liegen. Anschließend wird eine Struktur für die Qualifizierung entwickelt, bestehend aus sechs Lektionen, je eine Lektion pro Oberthema und drei lektionenübergreifende Projekte, in denen die Moderatorinnen und Moderatoren jeweils in einer ihrer drei Rollen als Lernende, Lehrpersonen und Fortbildende angesprochen werden: Ein Datenanalytisches Projekt, ein Aufgabenentwicklungsprojekt und ein Fortbildungsprojekt. Hierbei werden auch die Rahmenbedingungen der Moderatorinnen und Moderatoren und der Qualifizierung berücksichtigt.

Im dritten Schritt wird die Qualifizierung anhand von zwei Forschungsfragen evaluiert. Die erste Forschungsfrage befasst sich mit der Bewertung der aus dem Professionswissensstrukturmodell abgeleiteten Ziele aus Sicht der Moderatorinnen und Moderatoren, während in der zweiten Forschungsfrage die impliziten Annahmen über die Moderatorinnen und Moderatoren, die in den Designprinzipien enthalten sind, mit der Selbstbeschreibung der Moderatorinnen und Moderatoren verglichen werden. Mit der ersten Forschungsfrage wird primär das Erreichen der inhaltsbezogenen Ziele evaluiert, während mit der zweiten Forschungsfrage primär die Designprinzipien überprüft werden. Die Datenanalyse erfolgt auf Basis von zweistündigen Leitfadeninterviews mit jedem Teilnehmenden (N=11). Die Interviews wurden transkribiert und mit Hilfe der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2014) ausgewertet.

Die zentralen Ergebnisse der Evaluation sind zum einen, dass die Moderatorinnen und Moderatoren die Ziele und Inhalte der Moderatorenqualifizierung stark aus ihrer Rolle als Lehrpersonen heraus bewerten. Die Weitergabe der eigenen Unterrichtserfahrung wird von Moderatorinnen und Moderatoren als ein zentrales Kriterium für "gute Fortbildungen" herausgestellt. Dies wird auch als Bewertungsmaßstab auf die Moderatorenqualifizierung übertragen. Zum anderen zeigt die Analyse der Interviewdaten, dass sich die Moderatorinnen und Moderatoren in zwei Teilgruppen aufteilen lassen. Die Moderatorinnen und Moderatoren der ersten Gruppe formulieren als größte Herausforderung in ihrer Rolle als Fortbildende den Umgang mit der Zielgruppe Lehrpersonen. In Bezug auf die Stellung des fachorientierten Wissens formulieren die Moderatorinnen und Moderatoren dieser Gruppe die Entwicklung eines lokalen Expertentums, dass die Entwicklung einer fachorientierten Expertise primär in Hinsicht auf die konkreten Inhalte von (anstehenden) Fortbildung formuliert. Die Moderatorinnen und Moderatoren der zweiten Gruppe betonen im Unterschied dazu eine Selbstverpflichtung eines globalen Expertentums in Bezug auf den Mathematikunterricht. Dabei wird zum einen die Selbstverpflichtung zur ständigen Weiterbildung hinsichtlich der aktuellen Entwicklungen der Mathematikdidaktik formuliert. Zum anderen wird die Entwicklung einer eigenen Vision von Mathematikunterricht als Aspekt genannt.

Auf Basis der Ergebnisse wird eine Ausschärfung der Designprinzipien und der impliziten Annahmen dokumentiert, vor deren Hintergrund Ideen für eine Weiterentwicklung der Konzeption der Qualifizierung formuliert werden.

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Kontext

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