Mit Hausaufgaben Problemlösen und eigenverantwortliches Lernen in der Sekundarstufe I fördern. Entwicklung und Evaluation eines Ausbildungsprogramms für Mathematiklehrkräfte.
Evelyn Komorek (2006): Mit Hausaufgaben Problemlösen und eigenverantwortliches Lernen in der Sekundarstufe I fördern. Entwicklung und Evaluation eines Ausbildungsprogramms für Mathematiklehrkräfte.. Dissertation, Technische Universität Darmstadt.
Begutachtet durch Regina Bruder, Bernhard Schmitz und Rudolf vom Hofe
Tag der mündlichen Prüfung: 03.02.2006.
Zusammenfassung
Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im DFG-Schwerpunktprogramm Bildungsqualität von Schule geförderten Projektes wurde ein Ausbildungsprogramm für Mathematiklehrkräfte der Sekundarstufe I entwickelt und erprobt, das zukünftige Lehrkräfte (Referendarinnen und Referendare) befähigen soll, mathematische Problemlösekompetenzen und Selbstregulationskompetenzen ihrer Schülerinnen und Schüler zu fördern.
Im ersten Teil der Arbeit werden die theoretischen Grundlagen vorgestellt. Das sind u.a. Modelle zum Lösen mathematischer Probleme (z.B. von George Pólya, eine Methode zur Vermittlung heuristischer Bildung von Regina Bruder sowie tätigkeitsorientierte lern- und entwicklungspsychologische Grundlagen der Psychologen der osteuropäischen Tradition, das Prozessmodell selbstregulierten Lernens von Bernhard Schmitz sowie eine Theorie selbstregulierten Lernens und Problemlösens von Erik De Corte, Lieven Verschaffel und Peter Op’t Eynde.
Der zweite Teil der Arbeit beschreibt das in der Ausbildung von den zukünftigen Lehrkräften anzueignende Unterrichts- und Hausaufgabenkonzept. Über das Sichern von Basiskompetenzen und das Vermitteln von heuristischer Bildung nach einer speziellen Methodik sollen die Schülerinnen und Schüler dabei unterstützt werden, ihre Leistungen beim selbstständigen Lösen auch anspruchsvoller Mathematikaufgaben zu verbessern. Sie sollen erfahren, wie der Einsatz heuristischer Hilfsmittel, wie z.B. das systematische Probieren mit einer Tabelle, das Anfertigen einer informativen Figur und das Verwenden von Variablen, beim Verstehen und Lösen von Aufgaben helfen können. Insbesondere für leistungsschwächere Lernende sind solche Hilfsmittel, die in ungewohnten Lernsituationen zwar keine Lösungsgarantie, wohl aber eine Orientierung ermöglichen, besonders wertvoll. Ziel ist es, dass die Lernenden ein individuelles Vorgehensmodell zum Lösen unbekannter, schwieriger Mathematikaufgaben entwickeln, das im Verlauf der weiteren Schulzeit mit schulrelevanten Heurismen, wie z.B. Vorwärts- und/oder Rückwärtsarbeiten, Zerlegungs-, Analogie-, Invarianz- und Symmetrieprinzip, angereichert wird. Beim Sichern von Basiskompetenzen, beim Aneignen von Heurismen und beim Sammeln von Problemlöseerfahrungen wird dem bewussten und reflektierten Umgang der Lehrkräfte mit Mathematikaufgaben, insbesondere auch dem Einsatz offener Aufgaben, dem Einsatz von Zusatz- und Wahlaufgaben mit unterschiedlichem Anforderungsniveau, sowie dem Arbeiten mit Hausaufgaben eine große Bedeutung beigemessen. Zum Steigern der Selbstregulation, als einer weiteren Voraussetzung für erfolgreiches Problemlösen, müssen die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit erhalten, Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen, ihre Anstrengungsbereitschaft zu stärken und Selbstregulationstechniken zu erlernen. Solche Gelegenheiten können zum Beispiel durch entsprechende Hausaufgaben und beim Auswerten von Hausaufgaben geschaffen werden. Zu den Selbstregulationstechniken gehören Methoden zum Setzen und Verfolgen von Zielen, zum Planen und Überwachen des Vorgehens sowie zu dessen Reflektion im Anschluss an die Planumsetzung.
Der Planung, Durchführung und Evaluation eines Ausbildungsprogramms von Referendarinnen und Referendaren ist der dritte Hauptteil der Arbeit gewidmet. Die zukünftigen Lehrkräfte lernten das Unterrichts- und Hausaufgabenkonzept in Ausbildungsveranstaltungen kennen und erhielten Lehrtexte zum Konzept und umfangreiches Material. Ein standardisierter Stundenbericht, der nach jeder Mathematikstunde auszufüllen war, sollte die Konzeptumsetzung unterstützen.
In Begleituntersuchungen zeigte sich, dass Referendarinnen und Referendare durch die Teilnahme am Ausbildungsprogramm befähigt werden konnten, Problemlösekompetenzen bei ihren Schülerinnen und Schülern zu fördern. Bei den im Rahmen von Fallstudien untersuchten neunten Klassen führte eine Umsetzung des Unterrichts- und Hausaufgabenkonzepts zu einer Verbesserung der Mathematikleistungen der Schülerinnen und Schüler, die deutlich über den üblichen Wissenszuwachs in dieser Klassenstufe hinausgeht. Dabei erzielten diejenigen Lernenden bessere Leistungen im Mathematiktest, die beim Bearbeiten der Aufgaben eine größere Anzahl von Heurismen eingesetzt hatten. In Bezug auf das Fördern von Selbstregulationskompetenzen ist zu erwarten, dass sich langfristig positive Effekte auf die Schülerleistungen ergeben werden. Die Ausbildung wurde von den Teilnehmenden positiv beurteilt.
Neu aus fachdidaktischer Sicht ist das Verknüpfen von fachbezogen interpretierten allgemeinen Lernzielen (Problemlösen) mit bislang eher psychologischen Domänen und Kategorien (Selbstregulation).