Förderung von Argumentationskompetenzen durch selbstdifferenzierende Lernangebote – Eine Studie im Mathematikunterricht der Grundschule

Aus madipedia
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Angela Bezold (2009): Förderung von Argumentationskompetenzen durch selbstdifferenzierende Lernangebote – Eine Studie im Mathematikunterricht der Grundschule. Dissertation, Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
Begutachtet durch Hans-Georg Weigand und Walter Müller.
Tag der mündlichen Prüfung: 27.01.2009.

Zusammenfassung

Ausgehend von der Auffassung der Mathematik als „die Wissenschaft von den Mustern“ (Devlin 1998, S. 3) lässt sich die Zielsetzung ableiten, Schülerinnen und Schüler zu befähigen, sich aktiv die Vielfalt der Muster zu erschließen. Dies bedeutet Muster und Strukturen zu erkennen, über Beziehungen nachzudenken, mathematische Aussagen zu hinterfragen, logische Schlussfolgerungen zu ziehen und Entdeckungen zu begründen. Hierbei handelt es sich um argumentative Aktivitäten, die auch in den Bildungsstandards der Primarstufe zum Ausdruck kommen (vgl. KMK 2005, S. 8). Die Analyse von standardisierten Tests weist nun einerseits auf Defizite bezüglich des Argumentierens in der Sekundarstufe hin und andererseits auf eine fehlende umfassende Standortbestimmung in der Primarstufe. Darüber hinaus reichen die Anforderungsbeschreibungen bestehender Kompetenzmodelle für eine Beurteilung von Argumentationskompetenzen in der schulischen Praxis nicht aus. Hieraus ergaben sich die wesentlichen Ziele der Forschungsarbeit:

Das Unterrichtskonzept wurde in einer Vor- und Hauptstudie in insgesamt 6 Klassen der 3. Jahrgangsstufe erprobt. Um den Einfluss des Unterrichtskonzeptes auf die Argumentationskompetenzen nachweisen zu können, wurde ein Vortest-Nachtest-Design für die Hauptstudie gewählt. Dabei wurde das Kompetenzmodell als Beurteilungsinstrument eingesetzt bzw. evaluiert.
Aufbauend auf einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Argumentationsbegriff wird zunächst ein Argumentations- und Kompetenzmodells erstellt. Im Mathematikunterricht und in der mathematikdidaktischen Diskussion wird der Argumentationsbegriff häufig im Rahmen des Begründens verwendet. In dem eigenen – spezifisch für die Grundschule entwickelten – Argumentationsbegriff wird das Begründen als eine argumentative Tätigkeit betrachtet, jedoch nicht mit dem Argumentieren gleichgesetzt. Darüber hinaus erfolgt eine Abgrenzung zum Beweisen im streng deduktiven Sinn. Durch Analysen schriftlicher Argumentationen von Grundschulkindern zu sog. Forscheraufgaben, die aus Voruntersuchungen stammen, präzisiert sich der Argumentationsbegriff. Bei Forscheraufgaben handelt es sich um selbstdifferenzierende Lernangebote, die in besonderer Weise ein Argumentationspotential aufweisen. Die Beziehungen der Teilargumentationen der Schülerdokumente werden nach Toulmins Ansatz der funktionalen Argumentationsanalysen (1975) analysiert. Anschließend entsteht ein eigenes modifiziertes Argumentationsmodell. Hieraus entwickelt sich ein dreistufiges Kompetenzmodell. Zentrale Komponenten stellen die Komplexität der entdecken Zahlbeziehungen und die Begründungsniveaus dar. Es wird herausgearbeitet, dass jedes Kompetenzniveau mit und ohne Begründung(en) erreicht werden kann. Als tragende Stützpfeiler des für die Studie erstellten Unterrichtsmodells fungieren die selbsttätige und kommunikative Auseinandersetzung mit mathematischen Phänomenen. Es entsteht das sog. Vier-Phasen-Unterrichtsmodell. Für die Hauptstudie ergeben sich u. a. folgende Forschungsfragen:

  1. Welche Anforderungen erfüllen Grundschulkinder hinsichtlich des schriftlichen Argumentierens bei Forscheraufgaben?
  2. Sind Kinder unabhängig von ihrem erreichten Kompetenzniveau in der Lage ihre Entdeckungen (schriftlich) zu begründen?
  3. Wirkt sich das Vier-Phasen-Unterrichtsmodell positiv auf die Entwicklung von Argumentationskompetenzen der Schülerinnen und Schüler aus?

Die Ergebnisse der schriftlichen Argumentationen aus der Lernphase und der Tests (insgesamt circa 850 Schülerdokumente) belegen den Erfolg der Studie. Das entwickelte Kompetenzmodell bewährte sich als Beurteilungsinstrument. Ein großer Teil der Schüler jeder Lernausgangslage konnte seine Argumentationskompetenzen verbessern. Forscheraufgaben eignen sich die Argumentationskompetenzen von leistungsschwächeren bis besonders begabten Kindern zu fördern. Durch Fragebögen und Interviews wird die Chance genutzt das Konzept aus der Sicht der Kinder und Lehrerinnen zu betrachten.


Kontext

Literatur

  • Keith Devlin [1998]: Muster der Mathematik. Ordnungsgesetze des Geistes und der Natur. Spektrum, Heidelberg, Berlin.
  • KMK [2005]: Beschlüsse der Kultusministerkonferenz: Bildungsstandards im Fach Mathematik für den Primarbereich. Beschluss vom 15.10.2004. Luchterhand, München, Neuwied.
  • Stephen Edelston Toulmin [1975]: Der Gebrauch von Argumenten. Aus dem Englischen übersetzt von Ulrich Berk. Scriptor Verlag, Kronbert.