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| :: Die pädagogische Reflexion dieser Phase, in der der Bildungsbegriff aspektreich entfaltet wird, erfolgt weithin noch nicht im Rahmen einer selbständigen pädagogischen Disziplin, sondern sie ist verflochten in mehr oder minder umgreifende geschichts-, kultur-, kunst- und staatsphilosophische sowie anthroplogische Erörterungen – so etwa bei Lessing und Wieland, Herder und Fichte, Schiller und weitgehend auch bei Humboldt –, oder sie erscheint – wie vor allem bei Goethe – als Thema dichterischer Gestaltung, autobiographischer Reflexion und des direkten oder brieflichen Gespräches mit Zeitgenossen, oder sie ist – vor allem in Hegels Werk – integriertes Moment eines philosophischen Gesamtsystems. Bei Pestalozzi indessen, auch bei Kant und Herbart, Schleiermacher, Fröbel und Diesterweg werden bildungstheoretische Reflexionen bereits vorwiegend innerhalb von Argumentationszusammenhängen entfaltet, die von vornherein als spezifisch pädagogisch ausgewiesen sind, so jedoch, daß die Bezüge zu jenen vorher genannten, umfassenderen oder benachbarten Problemkontexten gewahrt bleiben. | | :: Die pädagogische Reflexion dieser Phase, in der der Bildungsbegriff aspektreich entfaltet wird, erfolgt weithin noch nicht im Rahmen einer selbständigen pädagogischen Disziplin, sondern sie ist verflochten in mehr oder minder umgreifende geschichts-, kultur-, kunst- und staatsphilosophische sowie anthroplogische Erörterungen – so etwa bei Lessing und Wieland, Herder und Fichte, Schiller und weitgehend auch bei Humboldt –, oder sie erscheint – wie vor allem bei Goethe – als Thema dichterischer Gestaltung, autobiographischer Reflexion und des direkten oder brieflichen Gespräches mit Zeitgenossen, oder sie ist – vor allem in Hegels Werk – integriertes Moment eines philosophischen Gesamtsystems. Bei Pestalozzi indessen, auch bei Kant und Herbart, Schleiermacher, Fröbel und Diesterweg werden bildungstheoretische Reflexionen bereits vorwiegend innerhalb von Argumentationszusammenhängen entfaltet, die von vornherein als spezifisch pädagogisch ausgewiesen sind, so jedoch, daß die Bezüge zu jenen vorher genannten, umfassenderen oder benachbarten Problemkontexten gewahrt bleiben. |
| Im 1894 erschienenen Band 2 von Meyers Konversationslexikon (mit insgesamt 21 Bänden) – also nach dieser Phase im Anschluss an die Entfaltung des Bildungsbegriffs im pädagogischen Sinn – wird deutlich gemacht, dass nunmehr „Bildung“ mit einem neuen Sinn (gegenüber der ursprünglichen Bedeutung) belegt worden ist, und zwar ''„vorwiegend im übertragenen Sinn von der durch Erziehung und Unterricht bedingten geistigen Formierung des Menschen“''. In dieser enzyklopädischen Formulierung erscheint der zu „Bildende“ noch als das Objekt der „Bildung“, dabei wird zugleich hervorgehoben, dass „Bildung“ sprachlich (wie übrigens alle auf „-ung” endenden Wörter) sowohl den Prozess als auch das Ergebnis dieses Prozesses bezeichnet.<br /> | | Im 1894 erschienenen Band 2 von Meyers Konversationslexikon (mit insgesamt 21 Bänden) – also nach dieser Phase im Anschluss an die Entfaltung des Bildungsbegriffs im pädagogischen Sinn – wird deutlich gemacht, dass nunmehr „Bildung“ mit einem neuen Sinn (gegenüber der ursprünglichen Bedeutung) belegt worden ist, und zwar ''„vorwiegend im übertragenen Sinn von der durch Erziehung und Unterricht bedingten geistigen Formierung des Menschen“''. In dieser enzyklopädischen Formulierung erscheint der zu „Bildende“ noch als das Objekt der „Bildung“, dabei wird zugleich hervorgehoben, dass „Bildung“ sprachlich (wie übrigens alle auf „-ung” endenden Wörter) sowohl den Prozess als auch das Ergebnis dieses Prozesses bezeichnet.<br /> |
− | Es sei ferner darauf hingewiesen, dass in diesem enzyklopädischen Beitrag bereits auf die Dichotomie von ''formaler'' und '''materialer''' Bildung hingewiesen wird, die erst viel später durch Klafki über die Synthese der ''kategorialen Bildung'' aufgelöst wurde.<br /> | + | Es sei ferner darauf hingewiesen, dass in diesem enzyklopädischen Beitrag bereits auf die Dichotomie <ref>Vgl. z. B. http://de.wiktionary.org/wiki/Dichotomie und https://de.wikipedia.org/wiki/Dichotomie.</ref> von '''formaler''' und '''materialer''' Bildung hingewiesen wird, die erst viel später durch Klafki über die Synthese der '''kategorialen Bildung''' aufgelöst wurde.<br /><br /> |
| Der „Neue Brockhaus“ von 1959 schreibt zu „Bildung“ u. a.: | | Der „Neue Brockhaus“ von 1959 schreibt zu „Bildung“ u. a.: |
| :: '''Bildung''' [...]. 2) der Vorgang geistiger Formung, auch die innere Gestalt, zu der der Mensch gelangen kann, wenn er seine Anlagen an den geistigen Gehalten seiner Lebenswelt entwickelt. Gebildet ist nicht, wer nur Kenntnisse besitzt und Praktiken beherrscht, sondern wer durch sein Wisssen und Können teilhat am geistigen Leben; wer das Wertvolle erfaßt, wer Sinn hat für Würde des Menschen, wer Takt, Anstand, Ehrfurcht, Verständnis, Aufgeschlossenheit, Geschmack und Urteil erworben hat. Gebildet ist in einem Lebenskreis, wer den wertvollen Inhalt des dort überlieferten oder zugänglichen Geistes in eine persönlich verfügbare Form verwandelt hat. | | :: '''Bildung''' [...]. 2) der Vorgang geistiger Formung, auch die innere Gestalt, zu der der Mensch gelangen kann, wenn er seine Anlagen an den geistigen Gehalten seiner Lebenswelt entwickelt. Gebildet ist nicht, wer nur Kenntnisse besitzt und Praktiken beherrscht, sondern wer durch sein Wisssen und Können teilhat am geistigen Leben; wer das Wertvolle erfaßt, wer Sinn hat für Würde des Menschen, wer Takt, Anstand, Ehrfurcht, Verständnis, Aufgeschlossenheit, Geschmack und Urteil erworben hat. Gebildet ist in einem Lebenskreis, wer den wertvollen Inhalt des dort überlieferten oder zugänglichen Geistes in eine persönlich verfügbare Form verwandelt hat. |
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| Und Kron schreibt weiter (a. a. O.): | | Und Kron schreibt weiter (a. a. O.): |
| :: Die bildungstheoretische Diskussion hat zu der grundlegenden Einsicht geführt, daß der Mensch in einem lebendigen Verhältnis zur kulturellen Welt steht und diese sinnverstehend auslegt. In der systematischen Betrachtung dieses Grundphänomens erscheint dieses Verhältnis als ein Prozeß, in welchem dem Menschen eine zentrale Rolle zugesprochen wird. Der Mensch wird als jene produktive Stelle angesehen, in welcher die Dinge und Symbole der Welt verarbeitet und als kulturelle Leistungen wieder veräußert werden. Im Individuum kommen somit zwei Momente ins Spiel: die kulturellen Inhalte und die innereren Kräfte. In der Sprache der Bildungstheoretiker werden diese Momente als materialer und formaler Aspekt dieses Prozesses, der Prozeß selbst als Bildungsprozeß bezeichnet; denn in diesem Prozeß bringt der Mensch sich selbst und über sich selbst auch die Kultur hervor. Damit ist das Individuum in seinem Bildungsprozeß in das Zentrum pädagogischer und didaktischer Diskussionen und Forschungen gerückt. | | :: Die bildungstheoretische Diskussion hat zu der grundlegenden Einsicht geführt, daß der Mensch in einem lebendigen Verhältnis zur kulturellen Welt steht und diese sinnverstehend auslegt. In der systematischen Betrachtung dieses Grundphänomens erscheint dieses Verhältnis als ein Prozeß, in welchem dem Menschen eine zentrale Rolle zugesprochen wird. Der Mensch wird als jene produktive Stelle angesehen, in welcher die Dinge und Symbole der Welt verarbeitet und als kulturelle Leistungen wieder veräußert werden. Im Individuum kommen somit zwei Momente ins Spiel: die kulturellen Inhalte und die innereren Kräfte. In der Sprache der Bildungstheoretiker werden diese Momente als materialer und formaler Aspekt dieses Prozesses, der Prozeß selbst als Bildungsprozeß bezeichnet; denn in diesem Prozeß bringt der Mensch sich selbst und über sich selbst auch die Kultur hervor. Damit ist das Individuum in seinem Bildungsprozeß in das Zentrum pädagogischer und didaktischer Diskussionen und Forschungen gerückt. |
− | Durch diese Hervorhebung des „prozesshaften Charakters“ von „Bildung“ darf aber nicht verkannt werden, dass dieser Prozesse bzw. diese Prozesse zu einem Ergebnis dieser „Bildung“ führen, das dann meist ebenfalls mit „Bildung“ bezeichnet wird. | + | Durch diese Hervorhebung des „prozesshaften Charakters“ von „Bildung“ (als ''einem'' der beiden Aspekte von „Bildung“) darf aber nicht verkannt werden, dass dieser Prozess zu einem Ergebnis dieser „Bildung“ (als dem anderen Aspekt) führt, das dann ebenfalls mit „Bildung“ bezeichnet wird. |
| ==Klafki und „die Heimholung des Bildungsbegriffs“== | | ==Klafki und „die Heimholung des Bildungsbegriffs“== |
| Der Marburger Erziehungswissenschaftler Hans-Christoph [http://www.uni-marburg.de/fb21/schulpaed/institut/personal/berg '''Berg'''] spricht 1988 von der „zwanzigjährigen Aussperrung des zweihundertjährigen Bildungsbegriffs“, schreibt in diesem Zusammenhang Klafki die „Heimholung des Bildungsbegriffs“ zu und schreibt u. a. mit Bezug auf den Heidelberger Allgemeinbildungskongress 1986: <ref>[Berg 1988, 20–21]</ref> | | Der Marburger Erziehungswissenschaftler Hans-Christoph [http://www.uni-marburg.de/fb21/schulpaed/institut/personal/berg '''Berg'''] spricht 1988 von der „zwanzigjährigen Aussperrung des zweihundertjährigen Bildungsbegriffs“, schreibt in diesem Zusammenhang Klafki die „Heimholung des Bildungsbegriffs“ zu und schreibt u. a. mit Bezug auf den Heidelberger Allgemeinbildungskongress 1986: <ref>[Berg 1988, 20–21]</ref> |