Was der Fall ist - Fallarbeit in Bildungsforschung und Lehrerbildung
Konferenz: Was der Fall ist - Fallarbeit in Bildungsforschung und Lehrerbildung .
Universität Hildesheim, Deutschland.
Internet: Was der Fall ist - Fallarbeit in Bildungsforschung und Lehrerbildung
Termin: 21. - 22. Januar 2011
Call for Papers
Fallarbeit meint die auf kasuistische Traditionen und rekonstruktive Forschungsstrategien aufbauende Thematisierung von Fällen in der hochschulischen Ausbildung mit dem Ziel einer Professionalisierung reflexiver Kompetenzen und der Fähigkeit, unterschiedliche Wissensformen zu relationieren und bestehende Deutungs- und Handlungspraxen forschungsorientiert zu hinterfragen. Auch wenn kaum empirisches Wissen darüber vorliegt, ob Fallarbeit nun tatsächlich die hier genannten Ziele erreicht, kann sie auf eine breite und facettenreiche Praxis in der Hochschullehre zurückgreifen. Selten werden jedoch die in der Ausbildungspraxis erworbenen Erfahrungen auch systematisch reflektiert. Die geplante Tagung hat eine differenzierende Auseinandersetzung mit Fallarbeit insbesondere in Hinblick auf die Konzeptionalisierung, Erforschung und Förderung professionsbezogener Kompetenzen in Schule und anderen Bildungsbereichen zum Ziel. Rekonstruktive Forschung zu pädagogischen wie sozialen Praktiken ist heute in den Forschungsfeldern Bildungs- und Unterrichtsforschung, Frühkindliche Bildung, Kindheits- und Jugendforschung und Soziale Arbeit genauso fest verankert wie der fallorientierte Einbezug der qualitativen Fälle in der hochschulische Ausbildung. Dabei hat die konkrete „Arbeit am Fall“ durchaus unterschiedlichen Charakter. Was „der Fall“ ist, hängt von der jeweils spezifischen, disziplinär und methodisch bestimmten Perspektive ab: Welches Fallverständnis liegt interpretativ-fallanalytischen Forschungen der Bildungs- und Unterrichtsforschung zugrunde und auf welche Weise wird hier in der Fallarbeit der Fall konstruiert? Welche Perspektiven auf unterrichtliche Praxis eröffnet der Zugang über ein fachdidaktisch orientiertes Fallverständnis? Welches Fallverständnis ermöglicht die Arbeit mit ethnografischem Material, das (früh-)pädagogisches Handeln in den Blick nimmt? Welche ergänzenden oder/und kontrastierenden Perspektiven auf Fall und Fälle eröffnen die jeweiligen disziplinären Zugänge? Gegenwärtig wird der Beitrag der Fallarbeit zur Professionalisierung insbesondere im Bereich einer stärker forschungsorientierten Lehrerbildung hoch gehandelt. In der Fallarbeit werden Möglichkeiten identifiziert, die notorische Spannung zwischen Theorie und Praxis in eine fruchtbare Beziehung zwischen universitärem Wissen und beruflichem Können zu verwandeln. Die Grundidee: Über einen forschenden Zugang zur schulischen Praxis sollen die angehenden Lehrerinnen und Lehrer in die Lage versetzt werden, die eigenen unterrichtlichen Erfahrungen theoretisch-reflexiv rückzubinden und eine entsprechende hermeneutische Kompetenz für unterrichtliche Handlungssituationen zu entwickeln. Damit wird ein erweitertes Verständnis von Praxis und schließlich eine zweite Beobachtungsebene eingespielt: Die Dignität der Erfahrung erhält ein Korrelat durch den forschenden Blick auf eben jene Erfahrungsbestände. Die Beobachtung von Praxis wird durch eine Beobachtung dieser Beobachtung ergänzt. Das Arbeiten an und mit unterrichtlichen Fällen ist ein mittlerweile gut begründeter methodischer Zugang einer reflexiven Lehrerbildung. Mit Dokumenten unterrichtlicher Praxis soll es demnach gelingen, in einer handlungsentlastenden, diskursiven Rahmung für die Strukturmerkmale unterrichtlichen Handelns zu sensibilisieren. Ob die benannte Hoffnung einer Verknüpfung von Theorie und Praxis sich damit erfüllt, ist bislang eine offene Frage. Welche Kontingenzen sind ihr eigen, welche erzeugt sie, auf welche gibt sie Antworten? Zeigt darüber hinaus die Rede von einer Forschungsorientierung einen neuen turn in der Lehrbildung an? Im Feld der Pädagogik der frühen Kindheit sind es vor allen Dingen die neu entstandenen Studiengänge, die stärker als bisher die Herausbildung eines forschenden Habitus im Studium anvisieren. Hier wird allseits betont, dass forschenden Zugängen im Studium ein hohes Gewicht beizumessen sei. Studierende entwickeln in Praxisforschungsprojekten oder Forschungsseminaren einen forschenden Zugang zum Praxisfeld. Dieses gängige „learning by doing“ ist bislang jedoch kaum von schlüssigen Konzepten einer frühpädagogischen rekonstruktiven Fallarbeit in der Hochschulausbildung abgelöst worden. Zu überlegen ist, inwieweit z.B. Konzepte zur Fallarbeit in der Lehrerausbildung oder der rekonstruktiven Sozialarbeitsforschung eine produktive Bereicherung für das Feld frühpädagogischer Hochschulausbildung darstellen können. Ziel der Tagung ist eine vertiefte Reflexion dessen, was Fallarbeit in den angesprochenen Handlungsfeldern leisten kann. Dabei soll ein Bogen von theoretischer Reflexion zur informierten Integration der Fallarbeit in die verschiedenen Professionalisierungsbereiche gespannt werden: Im Themenbereich A wenden wir uns der Frage zu, „was der Fall ist“. Vorgesehen sind hier Hauptvorträge von Andreas Wernet (Arbeitsbereich fallrekonstruktive Schul- und Unterrichtsforschung, Leibniz Universität Hannover) und Jo Reichertz (Institut für Kommunikationswissenschaft, Universität Duisburg-Essen) sowie eine interdisziplinäre Diskussion eines Falles: Diskutiert wird hier, welcher Blick disziplinär entworfen und wie mit dem Fall in der hochschulischen Ausbildung gearbeitet wird. Desweiteren fragen wir nach dem Zusammenhang von Fallarbeit und Professionalisierung (Themen- bereich B, Hauptvortrag von Barbara Koch-Priewe, Universität Bielefeld), und nach Konzepten der didaktisch-methodischen Umsetzung von Fallarbeit in der Hochschulausbildung (Themenbereich C). Im Themenbereich C haben auch Fallarchive und -labore sowie Forschungswerkstätten und Methodenzentren die Möglichkeit, ihre Arbeit vorzustellen. Wir laden interessierte Wissenschaftler/innen zur Einreichung eines aussagekräftigen Abstracts ihrer Beiträge insbesondere zu den Themenbereichen B und C ein (250 Wörter). Bitte schicken Sie diese bis zum 30.09.2010 an: fachdidaktik@uni-hildesheim.de (für Ihre Einreichung nutzen Sie bitte die Vorlage unter www.uni-hildesheim.de/de/46834.htm). Hinweis: Für Vorträge sind auf der Tagung 45 Minuten (30 min. Vortrag, 15 min. Diskussion) vorgesehen.
Digitale Version: Call for Papers