Variablen können verschiedene Bedeutungen haben, mit denen demnach verschiedene Vorstellungen verbunden sind (vgl. Barzel, Herget 2006, S. 5). Ein tragfähiges Variablenverständnis zeigt sich darin, die verschiedenen Vorstellungen zu kennen und mit diesen in konkreten Sachsituationen flexibel umgehen zu können (vgl. Schill 2014, S. 1063). Küchemann, Malle und Freudenthal unterschieden dabei verschiedene Aspekte, die das Variablenverständnis ihrer Meinung nach ausmachen.

Variablenaspekte nach Küchemann

Küchemann identifiziert sechs verschiedene Interpretationsstufen von Buchstaben, die SuS verstehen müssen, um ein Verständnis für Variablen zu entwickeln. Dabei spricht er zum einen von den Kategorien letter evaluated, letter not used, letter used as an object, letter used as a specific unknown, letter used as generalised number und letter used as a variable (vgl. Warren, S. 661).

  • Items der Katgeorie letter evaluated erlauben das direkte Bestimmen des numerischen Wertes einer Variablen bzw. eines Buchstaben oder sind dadurch gekennzeichnet, dass die SuS der Variablen von Beginn an einen bestimmten numerischen Wert zuordnen (vgl. Küchemann 1984, S. 105). Das Bestimmen des numerischen Wertes kann durch simples Ausprobieren oder einer einfachen Umformung erfolgen (vgl. Küchemann 1978, S. 25).
  • Bei der Kategorie letter not used wird die Existenz der Variablen bestenfalls wahrgenommen, doch die Variable an sich vollständig ignoriert, da ihr keine Bedeutung zugesprochen wird (vgl. Warren, S. 661). Dies ist auch gar nicht nötig, da Aufgaben dieser Kategorie dadurch gelöst werden können, dass die Buchstaben einfach ignoriert werden (vgl. Küchemann 1984, S. 106).
  • Wenn ein Buchstabe als Objekt oder Name bzw. Abkürzung für ein Objekt wahrgenommen wird, spricht man von der Kategorie letter used as an object (vgl. Küchemann 1978, S. 25). Bei dieser Kategorie wird die Bedeutung des Buchstaben auf etwas sehr Konkretes und Reales beschränkt (vgl. Küchemann 1984, S. 107), wie zum Beispiel auf den Namen einer Seite einer Figur (vgl. Küchemann 1978, S. 25). Unter diese Kategorie fällt auch die so genannte „Fruchtsalat-Methode“, bei der die Variablen a und b beispielsweise durch Äpfel und Bananen ersetzt werden, um eine Aufgabe mit Sinn zu füllen. Die Methode ist jedoch nur begrenzt möglich, da man einen Term, wie "3a – b + a", beispielsweise nicht dadurch erklären kann, dass man 3 Äpfel hat und eine Banane wegnimmt (vgl. Küchemann 1984, S. 107).
  • Von einem letter as specif unknown spricht man, wenn der Buchstabe als eine bestimmte Unbekannte behandelt wird und mit diesem gerechnet werden kann, ohne den genauen Zahlenwert bestimmen zu müssen (vgl. Küchemann 1978, S. 25).
  • Die Kategorie letter as generalised number unterscheidet sich von der Kategorie letter as specific unknown insofern, dass der Buchstabe hier so gesehen wird, dass er nicht den Wert einer bestimmten Unbekannten, sondern beliebig viele Werte annehmen kann (vgl. Warren, S. 661).
  • Bei der Kategorie letter as variable sehen die SuS Buchstaben als Repräsentanten beliebiger unbestimmter Werte, wobei alle rationalen und auch irrationalen Zahlen inbegriffen sind (vgl. Warren, S. 661). Die Kategorie beinhaltet außerdem die Fähigkeit, Beziehungen zwischen den Buchstaben wahrzunehmen, wenn sich bestimmte Werte ändern (vgl. Küchemann 1978, S. 26).

Variablenaspekte nach Malle

Günther Malle unterscheidet in Bezug auf die Verwendung von Variablen drei verschiedene Variablenaspekte: Den Gegenstandsaspekt, den Einsetzungsaspekt und den Kalkülaspekt (vgl. Barzel, Herget 2006, S. 6). Für ein tragfähiges Variablenverständnis müssen die SuS die unterschiedlichen Perspektiven auf die Variablen einnehmen und zwischen diesen flexibel wechseln können (vgl. Specht, Plöger 2011, S. 7).

  • Beim Gegenstandsaspekt wird die Variable „als unbekannte oder nicht näher bestimmte Zahl“ (Malle 1986, S. 3) bzw. als unbestimmter Denkgegenstand gesehen, mit dem einfach umgegangen wird (vgl. Barzel, Herget 2006, S. 6).
  • Wird eine Variable als Platzhalter bzw. Leerstelle gesehen, in der Zahlen eingesetzt werden sollen, spricht man vom Einsetzungsaspekt (vgl. Malle 1986, S. 3).
  • Wenn die Variable als „bedeutungsloses Zeichen, mit dem nach bestimmten Regeln operiert werden darf“ (vgl. ebd., S. 3), gesehen wird, ist vom Kalkülaspekt die Rede (vgl. ebd, S. 3).

Damit SuS verständlich mit Variablen umgehen können, müssen alle drei Aspekte verinnerlicht werden (vgl. Siebel, Wittmann 2014, S. 44), wobei das mechanische, kalkülhafte Operieren mit Variablen, insbesondere das Umformen von Termen und Lösen von Gleichungen, im Unterricht dominiert (vgl. Malle 1986, S. 8). Stattdessen sollte besser darauf geachtet werden, dass der Einsetzungs- und Gegenstandsaspekt in vielfältigen Kontexten verankert ist, bevor der Kalkülaspekt behandelt wird (vgl. Siebel, Wittmann 2014, S. 44). Dadurch wird der Veränderlichenaspekt von Variablen im Unterricht bewusster behandelt und die SuS entwickeln das Verständnis hinter den Variablen und Operationen (vgl. Malle 1986, S. 6).

Klassifizierung von Variablen nach verschiedenen Aufgabentypen nach Freudenthal

Bei Freudenthal ist die Auffassung von Variablen an die jeweilige Verwendungssituation gebunden (vgl. Specht, Plöger 2011, S. 5). Er klassifiziert in Bezug auf das Variablenverständnis verschiedene Typen von Aufgaben, bei denen danach unterschieden wird, wofür die Variablen jeweils stehen. Er benennt dabei die Variable als Unbekannte, als Unbestimmte und als Veränderliche (vgl. ebd., S. 5).

  • Die Variable als Unbekannte steht für ein Objekt, wie eine Zahl oder ein Term, das noch unbekannt ist, aber bestimmt werden kann. Als Beispiel kann hier eine einfache Gleichung mit einer Variablen, wie z.B. "2x + 3 = 7", genannt werden, bei der die Variable beispielsweise durch das Umformen der Gleichung bestimmt werden kann (vgl. ebd., S. 5).
  • Wird eine Variable als Unbestimmte bezeichnet, meint man damit eine Variable, bei der es nicht von Belang ist, diese zu irgendeinem Zeitpunkt zu bestimmen. Dies ist beispielsweise bei der symbolischen Schreibweise von Rechengesetzen, wie dem Kommunikativgesetz (a + b = b + a), oder bei der Beschreibung von Beziehungen von Variablen der Fall (vgl. ebd., S. 5).
  • Variablen in funktionalen Zusammenhängen, in denen tatsächlich etwas variiert und in denen Veränderungen betrachtet werden, werden als Veränderliche bezeichnet. Dies ist z.B. bei einfachen linearen Funktionen der Fall, wie f(x) = 6x, da hier untersucht wird, was für eine Auswirkung eine Veränderung von x auf die Funktion f(x) hat (vgl. ebd., S. 5).

Besonders das Verständnis dieses letztgenannten Aspekts ermöglicht vielen SuS ein besseres allgemeines Verständnis und tragfähigere Vorstellungen von Variablen und Termen (vgl. Barzel, Herget 2006, S. 8), wobei die SuS dafür letztendlich alle verschiedenen Aufgabentypen erkennen und mit den Variablen entsprechend umgehen können müssen (vgl. Specht, Plöger 2011, S. 7).

Fachdidaktische Diskussion

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Literatur

Quellen

Barzel,Bärbel; Herget, Wilfried (2006): Zahlen, Symbole, Variablen - abstrakt und konkret. Plädoyer für einen lebendigen Umgang mit Termen. In: mathematik lehren (136), S. 4–9.

Der Beitrag kann wie folgt zitiert werden:
Madipedia (2017): Variablenverständnis. Version vom 8.06.2017. In: madipedia. URL: http://madipedia.de/index.php?title=Variablenverst%C3%A4ndnis&oldid=28140.